zur „Auswahlfreiheit“ von Privatschulen
Was Eltern und auch die Politik wissen sollten: Privatschulen können sich ihre Schüler:innen selbst aussuchen und auch einen Schulvertrag ohne Begründung zum Halbjahr oder Schuljahresende kündigen.
Privatschulen können die Schüler:innen auswählen, die ihrem Schulkonzept entsprechen. Diese „Auswahlfreiheit“ besteht nicht nur beim Abschluss, sondern auch während der Laufzeit des Schulvertrags. Erziehungsberechtigte nehmen von vornherein das Risiko in Kauf, dass ihre Kinder bei der (vorzeitigen) Beendigung des Schulvertrages mit erheblichen Reibungsverlusten auf eine staatliche Schule wechseln müssen. Das OLG Brandenburg hat mit diesem Selektionsrecht kein Problem, obgleich in Brandenburg Privatschulen inzwischen 19% aller Schulen ausmachen und zum überwiegenden Teil steuerfinanziert sind. Sie erhielten im Jahr 2018 staatliche Zuschüsse von 6.349 € pro Schüler/Jahr. (https://mbjs.brandenburg.de/aktuelles/pressemitteilungen.html?news=bb1.c.641896.de)
Die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 12.10.2021 im Einzelnen:
Das einem privaten Schulträger eingeräumte Recht zur begründungslosen ordentlichen Kündigung des Privatschulvertrages zum Ende eines Schuljahres ist als solches nicht zu beanstanden.
(Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Oktober 2021 – 4 U 183/21)
Die Rechtfertigung für das (auch) der Schule eingeräumte Recht, den Privatschulvertrag ordentlich zu kündigen, ergibt sich aus der besonderen Natur des Privatschulvertrages. Bestandteil des grundrechtlich geschützten Rechts zur Einrichtung von privaten Schulen nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG ist das Recht zur freien Schülerwahl (vgl. BVerfGE 112, 74, 83). Die Gewährleistung dieses Grundrechts bedeutet nicht nur, dass der private Schulträger die Freiheit hat, für seine Schule die Schüler so auszuwählen, dass ein seinen Vorstellungen entsprechender Unterricht durchgeführt werden kann; sie bedeutet letztlich auch, dass sich ein privater Schulträger von Schülern wieder trennen können muss, und zwar nicht nur unter den erschwerten Bedingungen, die für die staatlichen Schulen gelten (so bereits BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07 – Rn 17).
(Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Oktober 2021 – 4 U 183/21 –, Rn. 35)
Dabei berücksichtigt der Senat durchaus das erhebliche Interesse der Vertragspartner der Verfügungsbeklagten, den Schulvertrag bis zum Erreichen des Ausbildungsziels durch die Schülerin bzw. den Schüler fortzusetzen. Ein Schulwechsel stellt für einen jungen Menschen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Er verliert sein persönliches Umfeld und gegebenenfalls seine Freunde. Er muss sich bei einem solchen Wechsel auf neue Lehrer, und nicht selten auch auf neue Lehrmethoden und einen anderen Stand des bereits unterrichteten Lernstoffes einstellen… Mit ihrer Entscheidung, ihr Kind eine auf das International Baccalaureate als Schulabschluss ausgerichtete Privatschule besuchen zu lassen, haben die Erziehungsberechtigten allerdings von vornherein das Risiko in Kauf genommen, bei der (vorzeitigen) Beendigung des Schulvertrages mit erheblichen Reibungsverlusten auf eine staatliche Schule wechseln zu müssen oder eine andere Privatschule mit einem vergleichbaren Bildungsangebot … suchen zu müssen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 24.08.2009 – 3 U 86/09 – Rn 28).
Entscheidend ist das Interesse einer jeden Privatschule, an der effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele. Kennzeichnend für eine Privatschule ist ein Unterricht eigener Prägung, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte (vgl. BVerfGE 27, 195, 200f). Diese eigenverantwortliche Prägung und Ausgestaltung des Unterrichts bedingt die Freiheit des Schulträgers, für seine Schule die Schüler so auszuwählen, dass ein seinen Vorstellungen entsprechender Unterricht durchgeführt werden kann (BVerfGE 112, 74, 83). Es versteht sich, dass eine allein auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Schülers in die Schule beschränkte „Auswahlfreiheit“ des Schulträgers dem grundrechtlich geschützten Anliegen des Schulträgers auf Verwirklichung seines Erziehungs- und Bildungskonzepts nicht genügen könnte.
(Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Oktober 2021 – 4 U 183/21 –, Rn. 38 – 39)
https://gerichtsentscheidungen.brandenburg.de/gerichtsentscheidung/19503