Schadenersatz wegen überlangem Baugenehmigungsverfahren – Teil 2

Urteil des Landgerichtes Frankfurt (Oder) vom 26.07.2024

Landkreis versucht in einem zweitem Verfahren Baukindergeldersatzzahlungen für eine Familie mit zwei Kindern loszuwerden und kann deshalb trotz vorheriger Verurteilung durch das Landgericht Frankfurt/Oder plötzlich keinen Fehler mehr bei der Erteilung einer Baugenehmigung für das Einfamilienhaus einer jungen Familie erkennen.

Die Kläger beantragten am 21.01.2020 eine Baugenehmigung bei der unteren Bauaufsichtsbehörde des beklagten Landkreises für ihr Einfamilienhaus. Mit Anhörungsschreiben vom 24.06.2020 und 31.08.2020 wurde den Klängern mitgeteilt, dass ihr Vorhaben trotz Zustimmung der Gemeinde aus Sicht des Landkreises unzulässig sei.

Mit Bescheid vom 09.10.2020 folgte dann die Ablehnung des Bauantrages, mit allen möglichen Erwägungen.

Mit Schreiben vom 13.10.2020 legten die Kläger dagegen Widerspruch ein und wiesen mehrfach darauf hingewiesen, dass sie das für den Bau eines Einfamilienhauses als staatlicher Zuschuss für 10 Jahre gewährtes, in jährlichen Raten auszuzahlendes Baukindergeld nur dann beantragen können, wenn die Baugenehmigung bis zum 31.03.2021 erteilt werde. Nach erneuter Prüfung erteilte der Beklagte dann am 22.04.2021 den begehrten Genehmigungsbescheid.

Die Kläger reichten daraufhin eine Amtshaftungsklage beim Landgericht Frankfurt (oder) ein, indem sie unter anderem auch den fälligen Schadenersatzanspruch für das Baukindergeld 2022 geltend machten. Mit rechtskräftigem Urteil vom 17.01.2023 (Az.: 19 O 155/21) sprach die Kammer den Klägern Schadenersatz für das Baukindergeld 2022 in Höhe von 2400,00€ zu.

Als die Zahlung für das Baukindergeld 2023 ausblieb, verlangten die Kläger mit Schreiben vom 09.06.2023 eine Erklärung, wann der Beklagte zu zahlen denke. Im Schreiben vom 14.07.2023 lehnte der KSA (Kommunale Schadenausgleich), für den Beklagten, die Zahlung von jeglichem weiteren Schadenersatz an die Kläger ab.

Entscheidung:

Das Landgericht Frankfurt/Oder hat den beklagten Landkreis erneut wegen Amtspflichtverletzungen zum Schadenersatz verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte für den den Klägern aus der verspäteten Erteilung der Baugenehmigung vom 22.04.2021, Az. 583-21-20, entstandenen Schaden dem Grunde nach haftet und insbesondere die Zahlung von Baukindergeld an die Kläger schuldet, solange deren persönliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

 

Entscheidungsgründe:

Im Zuge der Genehmigungsprüfung haben die Mitarbeiter des Beklagten eine Amtspflichtverletzung begangen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese schon durch die verzögerte Bearbeitungsdauer von 7 ½ Monaten zwischen Bauantrag bis zur Ablehnungsbescheidung und/ oder durch weitere Verzögerungen im Widerspruchsverfahren begründet wurde. Die Verletzung trat mithin schon damit ein, dass der Bauantrag der Kläger am 09.10.2020 rechtswidrig abgelehnt wurde. Die Baugenehmigung muss erteilt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidungsreife das Vorhaben den Vorgaben des öffentlichen Rechts entspricht und keine gesetzlichen Versagungsgründe vorliegen.

Auch hat der Beklagte entgegen seiner Pflicht zum gewissenhaften sachdienlichen Abgleich des klägerischen Bauantrags mit dem öffentlichen Baurecht und die Pflicht, darauf gestützt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu bilden, verletzt. Die herangezogenen Begründungen für die Ablehnung, treffen allesamt nicht zu. Die rechtswidrige Ablehnung des Bauantrages stellt eine schuldhafte, jedenfalls fahrlässige Amtspflichtverletzung i.S.d § 276 Abs. 1 Var. 2 BGB dar. Der handelnde Amtsträger des Beklagten hat die Zulässigkeit des Bauvorhabens ohne Beachtung der erforderlichen Sorgfalt, und damit fahrlässig, materiell unrichtig beurteilt. Warum hier ein Ablehnungsbescheid ergangen, Monate später aber das identische Bauvorhaben ohne die geringste Veränderung der Sach- und Rechtslage genehmigt wurde, ist nicht ersichtlich und spricht dafür, dass die ablehnende Entscheidung gerade ohne die gebotene sorgfältige Prüfung und Ermessensausübung erging.

Die Kläger haben auch äußerst substantiiert vorgetragen, dass alle weiteren Förderbedingungen in ihrem Fall vorlagen und ihnen deswegen – wäre ihnen die Baugenehmigung vor dem 31.03.2021 erteilt worden – auf ihren erfolgreichen Antrag hin tatsächlich Baukindergeld nach Einzug am 31.12.2021 und damit vor dem Stichtag 31.03.2021 von der KFW ausgezahlt worden wäre.

Auch die Art des Schadenersatzes, sowie die Höhe des Wertersatzes ist begründet. Nach dem Gedanken der Naturalrestitution ist der Bauherr so zu stellen, wie er ohne die Amtspflichtverletzung, bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde, stehen würde, vgl. § 249 Abs. 1 BGB. Dann hätte der Beklagte spätestens am 09.10.2020 die Baugenehmigung erteilt, sodass die Kläger den geplanten Antrag auf Baukindergeld hiernach fristwahrend gestellt und nach Genehmigung jährlich ein Baukindergeld i.H.v. 2.400,00 € ausgezahlt bekommen hätten, insgesamt für die streitgegenständlichen zwei Jahre 4.800,00 €. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, denn die Leistung in Form von Zahlung von 2.400,00 € jährlich ist fällig und für sie ist eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Die Auszahlung des Schadensersatzes hinsichtlich des entgangenen Baukindergeldes ist für die Jahre 2023 und 2024 fällig. Mangels Antragstellung bestimmt er sich hier nach dem hypothetischen Auszahlungszeitpunkt, wenn die Baugenehmigung rechtmäßig und rechtzeitig erteilt worden wäre.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden ist bereits begründet, wenn die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen. Es genügt bereits die Möglichkeit von Zukunftsschäden. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen zu bejahen. Davon ausgehend, dass die Kläger mit ihren – dann immer noch minderjährigen – Kindern die Immobilie im Siedlerweg 62c für 10 Jahre ab Einzug, also bis zum 31.12.2031 bewohnen werden und auch sonst alle Voraussetzungen weiter vorliegen werden, stünde ihnen von der KFW jährlich eine Baukindergeldzahlung von 2.400,00 € zu, fällig jeweils zum 31. März bis einschließlich des Jahres 2031.