Wenn die Yacht zu spät in den Hafen fährt
(Ein Grundkurs für Kaufleute und Rechtsreferendare: Verjährungsbeginn, laufende Verhandlungen, Klageerhebung, Zahlung Gerichtkosten, Ermittlung der Zustelladresse, Öffentliche Zustellung)
Zusammenfassung Urteil des Landgerichts Berlin vom 12.09.2023, Az 29 O 112/22
Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt eine Schiffswerft und begehrt von dem Beklagten die Bezahlung einer Werklohnforderung für die Reparatur einer Motoryacht. Nach einer Havarie fragte der Beklagte im Namen des Vereins P – einem möglichen Eigentümer der Yacht – bei der Klägerin die Reparatur der Yacht an. Unter dem 15.08. und am 13.09.2018 unterbreitete die Klägerin Angebote für die Reparatur (Anlagenkonvolut K1). Der Beklagte nahm die Angebote für den Verein an, obgleich er hierfür von dem Verein keine Vollmacht hatte. Unter dem 28.9.2018 (Anlage K2) stellte die Klägerin dem Verein einen restlichen Werklohn in Höhe von 19.946,38 € in Rechnung. Der Verein verweigerte die Zahlung unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht des Beklagten. Mit der vorliegenden, am 30.12 2021 beim Landgericht eingereichten Klage verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter. In der Klageschrift gab die Klägerin an, dass dem Beklagten unter der von ihr in der Klageschrift angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden könne.
Mit Rechnung vom 2.3.2022 hat die Geschäftsstelle der Kammer die Klägerin zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Am 1.4.2022 ist der von der Klägerin gezahlte Gerichtskostenvorschuss auf dem Konto der Landeskasse eingegangen.
Mit Verfügung vom 29.4.2022 hat die Geschäftsstelle der Kammer der Klägerin mitgeteilt, dass die Klage unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift des Beklagten in der W Straße nicht zugestellt werden konnte. Der Beklagte war in den letzten Jahren mehrfach umgezogen, zuletzt aber in der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift in der Rstraße wohnhaft und dort seit dem 20.7.2021 gemeldet (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 2.12.2022). Mit Schriftsatz vom 11.10.2022 hat die Klägerin die öffentliche Zustellung der Klageschrift beantragt. Mit Verfügung vom 12.10.2022 hat die Kammer die öffentliche Zustellung der Klageschrift wegen noch nicht ausreichender Ermittlungen der Klägerin abgelehnt und dieser insoweit Auflagen gemacht. Mit Schriftsatz vom 2.12.2022 hat die Klägerin unter Vorlage der Auskunft des Einwohnermeldeamtes die aus dem Rubrum ersichtliche Meldeanschrift des Beklagten in der Rstraße mitgeteilt, an der die Klage am 9.12.2022 zugestellt worden ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin wäre verjährt.
- Die dreijährige Verjährung gemäß § 195 BGB begann mit dem Schluss des Jahres 2018 zu laufen. Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 bestimmt sich nach dem Schluss des Jahres, in dem die Genehmigung des Vertrages verweigert wird oder nach § 177 Abs. 2 S. 2 als verweigert gilt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1979 – VII ZR 141/78 –, juris, Rn. 14; OLG München, Urteil vom 18. Januar 2011 – 18 U 4336/09 –, Rn. 21 – 22, juris, BeckOK BGB/Schäfer, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 179 Rn. 24). Keine Voraussetzung für den Beginn der Verjährung ist, dass die fehlende Bevollmächtigung des vermeintlichen Vertreters feststeht.
- Die Verjährung war nicht gemäß § 203 BGB wegen laufender Verhandlungen gehemmt. Zwar ist der Begriff von Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB weit auszulegen. Der Verweis des Schuldners etwa auf eine Zahlung durch einen Dritten reicht insoweit aber noch nicht aus.
- Die Einreichung der Klage Ende 2021 hat die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt, weil die Klage dem Beklagten nicht demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden ist. Die Einreichung der Klage Ende 2021 hat die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt, weil die Klage dem Beklagten nicht demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden ist. Zumutbare Bemühungen fehlen hingegen bereits bei leichter Fahrlässigkeit der Partei, ihres Parteibevollmächtigten (§ 85 Abs. 2) oder einer Rechtsschutzversicherung. (Musielak/Voit/Wittschier, 20. Aufl. 2023, ZPO § 167 Rn. 8). Unzureichende Angaben zum Beklagten, zB Fehlen von Bezeichnung oder ladungsfähiger Anschrift, fallen der Klägerin zur Last (Musielak/Voit/Wittschier, §167 Rn 9 ZPO). Der Beklagte war bereits seit 20.07.2021 und ist bis heute an seiner jetzigen Anschrift in der Rstraße gemeldet und diese Anschrift hätte die Klägerin während des gesamten Zeitraums durch eine mit pflichtgemäßer Sorgfalt gestellter Meldeauskunft in Erfahrung bringen können.
- Eine weitere unangemessene Verzögerung nach Klageerhebung beruht auf der verspäteten Einzahlung der Gerichtskosten. Als noch angemessen wird in der (insoweit nicht ganz einheitlichen) Rechtsprechung eine Einzahlung innerhalb von zwei Wochen (Musielak/Voit/Wittschier, 20. Aufl. 2023, ZPO § 167 Rn. 10), zum Teil auch drei Wochen ab Anforderung des Kostenvorschusses angesehen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 167 ZPO, Rn. 15). Vorliegend hat die Klägerin die Gerichtskosten jedoch erst nach über 4 Wochen nach Anforderung des Gerichtskostenvorschusses eingezahlt.
- Schließlich hat die Klägerin sodann selbst von ihrem Rechtsstandpunkt aus betrachtet jedenfalls unangemessen spät die öffentliche Zustellung der Klage beantragt. Sofern es, was aus den vorstehenden Gründen nicht der Fall ist, zuträfe, dass die Klägerin mit zumutbaren Maßnahmen nicht die Anschrift des Beklagten ermitteln konnte, hätte sie jedenfalls früher die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung schaffen und diese früher beantragen müssen. Ein unbekannter Aufenthalt im Sinne von § 185 ZPO darf erst angenommen werden, wenn eingehende Ermittlungen erfolglos geblieben sind, wenn also die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um eine öffentliche Zustellung zu vermeiden, und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat (Musielak/Voit/Wittschier, §185 Rn 2 ZPO). Der Klägerin war bereits bei der Klageeinreichung am 30.12.2021 schon bekannt, dass an der von ihr angegebenen Adresse dem Beklagten nicht zugestellt werden konnte. Die Klägerin hätte daher bereits vor der Klageerhebung, spätestens ab Ablauf der Verjährungsfrist Anfang 2021, in jedem Fall aber ab Mitteilung der Geschäftsstelle vom 29.04.2022, wonach (was der Klägerin ohnehin bekannt war), eine Zustellung in der W Straße nicht möglich ist, zumutbare Nachforschungen veranlassen, zeitnah dem Gericht mitteilen und eine öffentliche Zustellung beantragen müssen.