Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Aktenzeichen 4U 218/20 vom 10. März 2021
Urteil des Brandenburgischen OLG zur Sittenwidrigkeit eines überhöhten Zinssatzes bei privaten Umschuldungskrediten der Deutschen Bank und zum Widerruf eines Darlehensvertrags mit überhöhtem Zinssatz
Ein den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründendes auffälliges Missverhältnis ist zu bejahen, wenn der Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um 100 % oder absolut um 12 Prozentpunkte übersteigt (BGHZ 110, S. 338 Palandt/Heinrichs BGB 79. Aufl. § 138, Rn. 27).
Der Marktzins ist der Zeitreihe SUS 115 „Konsumentenkredite mit anfänglicher Zinsbindung von über 5 Jahren“ zu entnehmen, wonach im April 2015 der Marktzins bei 6,79 % p. a. lag und nicht, wie der Beklagte meint, der Zeitreihe SUS 122 „Zinssätze für das Neugeschäft der deutschen Banken (FMIs) Kredite an private Haushalte, sonstige Kredite von über 5 Jahren“. Nach Fußnote 5 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank sind „sonstige Kredite“ im Sinne der Statistik Kredite, die für sonstige Zwecke, zum Beispiel Geschäftszwecke, Schuldenkonsolidierung, Ausbildung usw. gewährt werden. Vorliegend diente zwar der Darlehensvertrag der Ablösung eines zuvor bei der Zedentin geführten Tilgungsdarlehens zur Kontonummer […] und der Darlehensvertrag war mit „Privatkredit für Umschuldungen“ überschrieben. Die vorliegende Umschuldung ist jedoch nicht einer „Schuldenkonsolidierung“ im Sinne der Statistik gleichzusetzen.
Danach liegt bei einem Vergleich des effektiven Vertragszinses von 9,99 % p. a. mit dem Marktzins von 6,79 % p. a. ein auffälliges Missverhältnis nicht vor, denn der Vertragszins übersteigt den Vergleichszins um 67,9 % und knapp 3 Prozentpunkte.
Der Kläger konnte das Darlehen auch nicht widerrufen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht stellt zwar fest, dass die Widerrufsbelehrung auf Grund des Kaskadenverweises und der von der Musterbelehrung angegebenen abweichenden Widerrufsfrist unwirksam ist. Insoweit stellt auch das Oberlandesgericht Brandenburg in dem angegriffenen Berufungsurteil fest, dass die Widerrufsfrist nicht begonnen hat zu laufen. Das Oberlandesgericht Brandenburg kommt nun aber ohne nähere Begründung zu dem Ergebnis, dass der Widerruf des Darlehensvertrages rechtsmissbräuchlich sei. Die Annahme für Umstände eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens seien im konkreten Einzelfall festzustellen. Das OLG macht den Rechtsmissbrauch jedoch ausschließlich und wortidentisch mit weiteren Entscheidungen (Urteile vom 20.02.2021 Az. 4 U 68/20, Az 4 U 71/20, Az. 4 Z 94/20) an dem Umstand fest, dass sich für den Beklagten, unseren Mandanten, die Angabe eines 30-tägigen Widerrufsrecht als vertragliche Verlängerung des gesetzlichen Widerrufsrechts als ausschließlich günstig erweist. Weshalb es rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Kreditnehmer sich mit dem Widerruf von den erzwungenen Kreditzinsen, die erheblich (67%) über dem Marktzins liegen, lösen will, hat das Oberlandesgericht nicht erläutert.-