Landgericht Frankfurt(Oder) versagt Schüler:innen von Privatschulen die Überprüfung des Schulgeldes auf soziale Angemessenheit

Landgericht Frankfurt/Oder, Urteil vom 19.08.2021, Az: 13 O 81/21 (nicht rechtskräftig)

Der Kläger (Träger einer staatlich anerkannten Ersatzschule) macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Schuldgeld geltend. In der BEITRAGS-, GEBÜHREN- UND SCHULZEITDARLEHENSORDNUNG SCHULE 2018, gültig ab 01.02.2018 wurde der monatliche Regelbeitrag für zwei Kinder auf insgesamt 546,00 € (273,00 € je Schuldkind) festgesetzt. Weiter heißt es dort, dass durch den Ermäßigungsausschuss der Schule auf Antrag Ermäßigungen des Schulbeitrags erfolgen können. Für die Zeit ab dem 01.02.2019 wurde der Schulbeitrag auf 554,00 € festgesetzt. Ab dem 01.02.2021 wurde ein Regelbeitrag von 560,00 € festgesetzt.

Der Beklagte verteidigt sich mit dem Einwand, dass eine Schuldgeldordnung, die das Verbot der sozialen Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern (Art. 7 Abs. 4 GG) berücksichtige, nicht vorliege, die Höhe des erhobenen Schulgeldes im konkreten Fall die Leistungsfähigkeit der Eltern nicht angemessen berücksichtige und so zu sozialer Sonderung führe.

Das Landgericht hat der Klage auf Erhebung des vollen Schulgeldes stattgegeben und den Eltern der Schüler die Möglichkeit entzogen, die Angemessenheit des Schulgeldes für die gesamte Dauer des Schulbesuches überprüfen zu lassen.

„Der Beklagte kann sich auch nicht auf einen Verstoß gegen das Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG berufen. Denn dieses Verbot regelt nach dessen eindeutigen Wortlaut lediglich eine Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer privaten Schule. Dass dieses Verbot hingegen dem Einzelnen ein – auch mittelbaren – Anspruch auf Reduzierung des festgesetzten Regelbeitrages verleiht, ergibt sich hieraus nicht und wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erwogen. Die sich aus Art. 7 Abs. 4 GG ergebende Schutzpflicht findet ihren Grund in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Privatschulwesens, also in der Förderung individueller Freiheit der Ersatzschulträger. Schutzsubjekt ist damit die private Ersatzschule, nicht jedoch der hilfebedürftige Einzelne, wie z.B. Eltern, die ihre Kinder auf einer Ersatzschule schicken wollen (vgl. LAG Baden-Württemberg, NZA-RR 2016, 553, Rn. 33 m.w.N.). Die vom Beklagten zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen sind hingegen nicht einschlägig, da diese sämtlich das Verhältnis Genehmigungsbehörde – freie Schule betrafen.

Das von dem Kläger verwendete Schulgeldmodell – einheitliches Schulgeld mit der Möglichkeit zur Ermäßigung/Erlass auf Antrag der Eltern – verträgt sich überdies mit den Vorgaben des Sonderungsverbots (vgl. VG Potsdam, Urt. v. 16.05.2014 – 12 K 2304/13 – Rn. 27; Brosius-Gersdorf, Das Sonderungsverbot für Ersatzschulen, NVwZ 2018, 761, 766). Denn es stellt sicher, dass der Zugang von Kindern nicht an den Besitzverhältnissen der Eltern scheitert.“

Insbesondere die letzte Feststellung ist schon deshalb unschlüssig, weil ein nicht gerichtlich oder behördlich überprüfbares Ermäßigungssystem eines Schulträgers von der willkürlichen Entscheidung des Schulträgers abhängig und gerade nicht geeignet ist, die Vorgaben des Sonderungsverbots zu erfüllen. Dies im vorliegenden Fall umso mehr, weil hier Schulgeld ohne eine existierende Beitragssatzung des Schulträgers erhoben wird, die auf ihre soziale Staffelung hin überprüfbar ist (wie diese im Kita-Bereich geboten ist und vom öffentlichen Träger der Jugendhilfe auch überprüft wird).