Haftung der Unteren Bauaufsichtsbehörde für überlange Bearbeitungszeit und Ermessenfehlgebrauch
LG Frankfurt (Oder) AZ.: 19 O 155/21 vom 7.02.2023
Verletzt der Amtsträger seine Sorgfaltspflichten bei der Ermittlung der Sach- und Rechtslage und versagt deshalb eine erteilungsfähige Baugenehmigung, handelt er fahrlässig und mithin schuldhaft.
Eine Amtspflichtverletzung kann auch bereits durch eine verzögerte Bearbeitung des Bauantrages angesichts der Bearbeitungszeit von 7,5 Monaten begründet sein.
Im Einzelnen:
Im vorliegenden Fall beantragten die Kläger bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises eine Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus. 8,5 Monate später erließ die Behörde einen Ablehnungsbescheid trotz Zustimmung durch die Gemeinde. Sechs Monate später erteilte die Behörde die Baugenehmigung im Widerspruchsverfahren bei identischer Sach- und Rechtslage. Mit der erst nach 15 Monaten erteilte Baugenehmigung konnten die Kläger einen Antrag auf Baukindergeld nicht mehr fristgerecht stellen.
Der beklagte Landkreis haftet nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG. Seine Bediensteten haben in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt, da sie als Baubehörde einseitig darüber entscheiden, ob das Bauvorhaben im Einklang mit dem öffentlichen Baurecht steht. Die Kläger sind als Bauherren auch Dritte im Sinne von § 839 Abs. 1 BGB, da der Antragsteller bei einer Versagung der Baugenehmigung zum geschützten Kreis gehört.
Den Träger der für ein Bauvorhaben zuständigen Baugenehmigungsbehörde trifft die Amtspflicht, ein Baugesuch gewissenhaft, förderlich und sachdienlich zu behandeln, ohne Verzögerungen innerhalb einer angemessenen Frist zu bescheiden und dabei jede vermeidbare Schädigung des Antragstellers zu unterlassen (BGH Urteil vom 11.01.2007 – III ZR 302/05 – juris Rn. 17; OLG Dresden, Urteil vom 27.04.2018 – 1 U 1701/18 -, juris Rn. 91; Staudinger/Wöstmann, BGB (2013), § 839 Rn. 130; BGB Palandt, § 839 Rn. 98 jeweils m.w.N.). Die Baugenehmigung muss erteilt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidungsreife das Vorhaben in dem Umfang dem öffentlichen Recht entspricht und keine gesetzlichen Versagungsgründe vorliegen (BGH, NJW 2007, 830 ff – Rn. 17). Auch die Nichtbearbeitung des Baugesuchs kann deshalb eine Amtspflichtverletzung darstellen (BGH v. 26. 07. 2001 – III ZR 206/00- juris).
Grundsätzlich gilt zwar, dass der Amtswalter seinen Amtspflichten genügt, wenn er aufgrund sorgfältiger Ermittlung der Sach- und Rechtslage zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Amtshaftungsrecht gilt, mussten die Amtsträger allerdings die für eine so weitragende Entscheidung wie die Versagung der Baugenehmigung erforderlichen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen (Thüringer OLG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 4 U 1230/05). Verletzt der Amtsträger seine Sorgfaltspflichten bei der Ermittlung der Sach- und Rechtslage, handelt er fahrlässig und mithin schuldhaft.