SARS-Corona-Virus – Betriebsunterbrechungsversicherung

LG Mannheim bestätigt Leistungspflicht der Versicherer

(LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20 –, Rn. 35, juris)

Die Versicherer verweigern Hotelbetreibern und Gastronomen, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügen, für Betriebsschließungen im Zusammenhang mit dem SARS-Corona-Virus regelmäßig die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, zum Teil werden unverhältnismäßig geringe Entschädigungsleistungen angeboten. Dabei werden 3 Argumente angeführt:

1. Das SARS-Corona-Virus ist nicht versichert, weil es das Virus beim Abschluss des Versicherungsvertrag nicht gegeben habe.
2. Bei den Eindämmungsverordnungen würde es sich nicht um eine Betriebsschließung handeln, weil den Hotels lediglich die touristische Nutzung verboten und der Gastronomie der Außerhausverkauf möglich sei.
3. Bei einer Pandemie handele es sich nicht um ein versicherbares Risiko, sondern um eine staatliche Aufgabe.

Das LG Mannheim hat diese Argumente nun entschieden und nachvollziehbar anhand einer Hotelschließung auf Grundlage der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung in Berlin vom 17.03.2020 zurückgewiesen.

Im Einzelnen:
Zunächst ist bei der gebotenen Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Betriebsunterbrechungsversicherung das SARS-Corona-Virus ein meldepflichtiger Krankheitserreger beziehungsweise die dadurch ausgelösten Erkrankungen sind meldepflichtige Krankheiten.
Maßstab der Auslegung der im Versicherungsvertrag vereinbarten Bedingungen ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss. Ein individuelles Sonderwissen eines Versicherungsnehmers ist zu berücksichtigen, die Entstehungsgeschichte der Bedingung hingegen nicht (vgl. BGH, VersR 2004, 1039; BGH, VersR 2002, 1503). Verbleibende Zweifel gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders
(LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20 –, Rn. 33 – 34, juris).

Selbst der verständige Versicherungsnehmer dürfte in einem solchen Fall davon ausgehen, dass alle unter die §§ 6 und 7 IfSG fallenden Erreger und Krankheiten Grundlage der Betriebsschließung sein können. Erst recht wird er davon ausgehen, dass spätere Änderungen dieser Normen auf den Vertrag Anwendung finden. Das liegt auch im Interesse des Versicherers, da nicht ausgeschlossen ist, dass bestimmte Krankheiten aus diesem Gesetz zukünftig wieder herausgenommen werden.

Das Landgericht Mannheim bestätigt ausdrücklich, dass es sich bei der Eindämmungsverordnung des Landes Berlin um eine Betriebsschließung im Sinne der AVB handelt. Die gebotene Auslegung der AVB führe zu dem Ergebnis, dass faktische Betriebsschließungen von ihr umfasst sein sollen. Hierbei verkenne die Kammer nicht, dass der Wortlaut gerade von einer behördlich angeordneten Schließung des Betriebs spricht und durch die in Berlin und Hamburg mittels Rechtsverordnung und Allgemeinverfügung getroffenen Regelungen lediglich touristische Übernachtungen untersagt wurden, was den weiteren Hotelbetrieb für Geschäftsreisende grundsätzlich gestattet. Unstreitig sind Buchungen von Geschäftsreisen in den Hotels der Verfügungsklägerin derzeit noch möglich. Dennoch stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass diese Beschränkung des Hotelbetriebs sich wie eine faktische Schließung auswirkt. Das liegt daran, dass Geschäftsreisen ohnehin nur einen Teil der Übernachtungszahlen ausmachen und dieser Bereich durch die Auswirkungen der Verbreitung des Corona-Virus zusätzlich eingeschränkt ist, weil Arbeitnehmer ins Home-Office geschickt wurden, Messen und Großveranstaltungen abgesagt und zahlreiche Betriebe ebenfalls geschlossen wurden. Die Auswirkungen dieser behördlichen Anordnung haben folglich Auswirkungen wie eine Schließung eines Hotels im konkreten Einzelfall zur Desinfektion oder zur Eindämmung eines Krankheitsausbruchs allein in diesem Hotel. Der Sinn und Zweck der Regelung, Betriebsunterbrechungen durch behördliche Maßnahmen aufgrund des IfSG abzufedern, spricht dafür, derartige faktische Schließungen unter diese Klausel zu subsumieren.
(LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20 –, Rn. 36, juris)

Der Anwendung der Klausel steht auch nicht entgegen, dass die Anordnungen im Zuge einer Epidemie von internationalem Ausmaß getroffen wurden. Nach dem Wortlaut des Versicherungsvertrags genügt eine behördliche Anordnung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. Einschränkungen, dass es sich um einen konkreten Verwaltungsakt im Einzelfall handeln müsste oder dass die Gefahr in jedem Fall im Betrieb selbst ihren Ursprung haben müsse, finden sich im Wortlaut nicht. Daran vermag es auch nichts zu ändern, dass sich die Parteien einen derartigen Fall bei Abschluss der Versicherung nicht vorstellen konnten.
(LG Mannheim, Urteil vom 29. April 2020 – 11 O 66/20 –, Rn. 38, juris)

Vor diesem Hintergrund raten wir betroffenen Unternehmen dringend vor der Annahme von Vergleichsangeboten der Versicherer anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und den Einzelfall prüfen zu lassen.