Wenn sich der Bundesfinanzgerichtshof über die lebensnotwendigen Bedürfnisse von Steuerbürger:innen äußert, kann man immer etwas fürs Leben lernen…

  1. Mit der Ehescheidung verfolgen Steuerpflichtige regelmäßig nicht die Sicherung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse (Aha).
  2. Bei Unternehmer:innen ohne Ehevertrag oder wenn den Steuerpflichtigen die weitere Nutzung ihres Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ohne Prozess nicht möglich ist, kann einer außergewöhnliche Belastung vorliegen.

Beim BFH klingt das so:

Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.“

Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz „in dem üblichen Rahmen“ legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

In keinem seiner Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436).“

(BFH, Urteil vom 18. Mai 2017 – VI R 9/16 –, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988)
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Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass für die Verbreitung von Fotos des Kindes in digitalen sozialen Medien die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile erforderlich ist. Können sich die Eltern darüber nicht einigen, kann das Sorgerecht in dieser Angelegenheit einem Elternteil übertragen werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juli 2021, II-1VF 74/21).


Immer wieder ist das Einstellen von Fotos der gemeinsamen Kinder in den sozialen Medien ein Streitfall, vor allem zwischen getrenntlebenden Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht ausüben.

Das OLG Düsseldorf hat erneut bekräftigt, dass die Veröffentlichung von Fotos der Kinder von der Zustimmung beider Elternteile abhängig ist. Der Elternteil, der das Foto veröffentlichen will, muss die Zustimmung des anderen einholen. Sollte der eine Elternteil der Veröffentlichung nicht zustimmen, kann diesem Elternteil gegenüber dem anderen Elternteil teilweise das alleinige Sorgerecht übertragen werden, um den Unterlassungsanspruch außergerichtliche und gerichtliche geltend zu machen.

Das OLG Düsseldorf hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die neue Lebensgefährtin des Vaters Fotos seiner Kinder in den sozialen Netzwerken und auf ihrer Website veröffentlicht hat. Der sorgeberechtigte Vater stimmte der Veröffentlichung zu. Die Mutter der Kinder, die ebenfalls das Sorgerecht ausübt, war damit jedoch nicht einverstanden. Die Mutter forderte die Lebensgefährtin des Vaters auf, die Fotos zu löschen. Dem kam die Lebensgefährtin des Vaters nicht nach. Sie stellte weitere Fotos in ihre Social-Media-Accounts ein.

Vor Gericht hatte die Mutter nun Erfolg. Sie erhielt das Sorgerecht für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der Lebensgefährtin wegen der unerlaubten Veröffentlichung und gewerblichen Verbreitung der Kinderfotos. Eine solche teilweise Übertragung des Sorgerechts sei möglich, wenn es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handele.

Die Lebensgefährtin habe die Fotos ohne Zustimmung der Kindesmutter online gestellt. Das Posten der Bilder bei Facebook, Instagram sowie auf der Webseite hätten „schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder“. Der Personenkreis, der die Fotos sehen könne, sei unbegrenzt. Ihre Weiterverbreitung sei kaum kontrollierbar und eine verlässliche Löschung der Bilder ist nicht möglich.

Das OLG Düsseldorf entschied, dass es dem Kindeswohl am ehesten entspreche, die Entscheidung über das rechtliche Vorgehen gegen eine Veröffentlichung demjenigen Elternteil zu übertragen, der die weitere Bildverbreitung verhindern wolle – in diesem Fall der Mutter.
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Werden Kinder innerhalb einer Familie adoptiert, kann es sein, dass sie zwei Erbanteile erhalten, denn wird ein Kind von Verwandten zweiten Grades adoptiert, kann es im Fall des Versterbens einer Tante mehrere gesetzliche Erbteile erhalten, so hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden (Beschluss vom 15.12.2021, 21 W 170/21).


Eine Frau, die Erblasserin, war kinderlos verstorben, auch ihr Ehemann lebte nicht mehr. Ebenso waren ihre beiden Schwestern bereits gestorben. Ein Testament hatte die Erblasserin nicht. Als sie verstarb, lebten jedoch noch Nichten und Neffen. Einer der Neffen ist das leibliche Kind einer der Schwestern der Verstorbenen gewesen. Als diese aber starb, hatte die zweite Schwester der Erblasserin den Jungen adoptiert. Nach dem Tod der Erblasserin hatte der Neffe einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge beantragt, nachdem er die Hälfte des Erbes bekommen soll. Denn ihm stünde sowohl über seine Adoptivmutter als auch über seine leibliche Mutter jeweils ein Viertel zu. Das Nachlassgericht gab dem Neffen Recht. Dagegen legten die übrigen Nichten und Neffen Beschwerde ein.

Doch Erfolg hatten sie nicht: Das OLG hat beschlossen, dass der Adoptivsohn hier zwei gesetzliche Erbteile erhalte. Zu Recht sei das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass ein adoptiertes Kind in die gesetzliche Erbfolge sowohl nach seiner leiblichen Mutter als auch nach der Adoptionsmutter eintrete. Im konkreten Fall erhalte der Antragsteller daher einen Erbteil von zwei Vierteln. Die Verwandtschaftsverhältnisse seien hier ausnahmsweise nicht erloschen. Das ergebe sich aus § 1756 Abs. 1 BGB. Danach bleiben auch die alten Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, wenn die Adoptiveltern mit dem Kind im zweiten oder dritten Grad verwandt seien. Das sei bei der Adoption des Jungen der Fall. Diese gesetzliche Ausnahme sei auch im Erbrecht zu berücksichtigen und führe dazu, dass Adoptivkinder mehrere Erbteile erhalten können, erklärte das OLG.


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), zugleich einziger Familiensenat und damit höchste und letzte Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Familiensachen für ganz Deutschland, hat heute entschieden, dass die leibliche Mutter auch nach Adoption ihres biologischen Kindes durch Dritte weiterhin zur Auskunft über die Identität dessen Erzeugers, des leiblichen (biologischen) Vaters verpflichtet ist (Beschluss vom 19.01.2022, XII ZB 183/21). Die Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung stellt sich naturgemäß schwierig dar, da diese höchstpersönlich und nicht durch Ersatzvornahme erfolgen muss. Folglich werden für diesen Fall Zwangsmaßnahmen gegen die Kindesmutter unausweichlich sein, was bei hartnäckigem Schweigen zur Ingewahrsamnahme führen kann, was jedoch das Schweigen möglicherweise nicht beendet.


Sie suchen Hilfe bei einer familienrechtlichen Streitigkeit oder bei der Planung oder Gestaltung Ihres Nachlasses? Herr Rechtsanwalt Oliver Bäumker ist seit zwei Jahrzehnten im Erb- und im Familienrecht tätig und kann auf eine lange Erfahrung in Verfahren vor Familiengerichten zurückblicken. Zudem ist er zertifizierter Testamentsvollstrecker und Mitglied der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV).

Oliver Bäumker, Magister der Rechtswissenschaft, hat in Münster und Heidelberg studiert und war von 1998 bis 2013 als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht beim Landgericht Münster und beim Oberlandesgericht Hamm zugelassen. Nach Aufgaben beim Kreis Warendorf und in der Privatwirtschaft war er zwei Jahre in Rom ansässig. Nach Rückkehr nach Deutschland zunächst in Gütersloh und Düsseldorf tätig, ist er seit November 2021 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Brandenburg mit Kanzleisitz in Bernau bei Berlin. Er lebt in fester Beziehung in Schönow und ist Vater einer 22 Jahre alten Tochter.

Die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ist bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen durch das Familiengericht auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet. (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. August 2021 – 6 UF 120/21)


Teilen sich getrenntlebende Eltern das Sorgerecht, was unabhängig von vorstehend dargestellten Modellen der Regelfall ist, kommt es häufig zu Konflikten über einzelne Entscheidungen. Ganz aktuell kann das beispielsweise auch die COVID-Schutzimpfung betreffen, sollte bei einem Kind die medizinische Indikation für eine Impfung bestehen, um einen schweren Verlauf einer COVID-Erkrankung zu vermeiden.

Während beispielsweise Vater und Sohn die Impfung befürworten, lehnt die Mutter das ab. Bei der Impfung handele es sich um einen potentiell gefährlicheren Eingriff als die Corona-Erkrankung selbst, behauptet sie. Das Amtsgericht übertrug daraufhin dem Vater die Befugnis, allein über die Impfung des gemeinsamen Kindes zu entscheiden. Die Mutter legte Beschwerde ein, doch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.08.2021, 6 UF 120/21) sah es nicht anders.

Können sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, kann das Familiengericht die Entscheidung einem Elternteil übertragen oder gar selbst eine Entscheidung vornehmen. Die Entscheidung über eine Schutzimpfung ist generell eine solche Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Im Zentrum der Entscheidung darüber steht das Kindeswohl, wobei die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen ist, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird, so die Rechtsprechung hierzu. Im Falle einer Angelegenheit der Gesundheitssorge sei die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge.

Gehe es um Schutzimpfungen, sei die Entscheidungsbefugnis grundsätzlich demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch Institut befürworte. Die Empfehlungen der STIKO habe der Bundesgerichtshof als medizinischen Standard anerkannt. Darüber hinaus müsse zudem der Wille des Kinds beachtet werde, wenn es sich im Hinblick auf Alter und Entwicklung eine eigenständige Meinung zum Thema bilden könne, wozu eine Anhörung des Kindes durch das Gericht stattgefunden habe. (ofb.)

Ergänzung:

Der Übertragung der Entscheidungsbefugnis im Wege der einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass mit der Durchführung der Impfungen die Hauptsache vorweggenommen wird, soweit ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden notwendig ist. Dies ist grundsätzlich im Hinblick auf die sog. vierte Infektionswelle zu bejahen. Allerdings ist unabhängig von der Frage des Bestehens einer Impfempfehlung für eine eventuelle spätere Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) das Eilbedürfnis zu verneinen (in Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 26 UF 928/21).

(OLG Rostock, Beschluss vom 10. Dezember 2021 – 10 UF 121/21 –, juris)